Normalerweise ist die AfD in den westdeutschen Bundesländern schlechter aufgestellt als in den östlichen. Doch es gibt Anzeichen dafür, daß die politische Landkarte auch in Westdeutschland neue Konturen gewinnt.

Ein Indiz dafür könnte der Ausgang der Europawahl in Rheinland-Pfalz sein. Das Bundesland gilt zwar als „tiefschwarz“, und auch bei der EU-Wahl am Sonntag machte die CDU das Rennen – sie kam landesweit auf über 30 Prozent. Aber: ungleich spektakulärer ist das Ergebnis der AfD. Sie konnte nämlich am meisten Zugewinne verbuchen und legte um knapp fünf Prozent auf nunmehr 14,7 Prozent zu.

Der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier hat das Ergebnis etwas genauer untersucht und kommt zu interessanten Befunden – auch für die Entwicklung in anderen westlichen Bundesländern. Im SWR wartete er mit einer interessanten These auf: AfD-Wähler stimmen nicht in erster Linie „für“ eine Partei – die AfD –, sondern eher aus Unzufriedenheit mit der „Ampel“. Aber: die Union, der auf Bundesebene eigentlich die Oppositionsrolle zufällt, kann von der allgemeinen Unzufriedenheit mit der „Ampel“ nicht profitieren. Viel mehr hingegen wird der AfD die Oppositionsrolle zugetraut.

Einen weiteren Faktor des AfD-Erfolgs glaubt Jun im virtuosen Umgang der AfD mit den sozialen Netzwerken zu sehen, vor allem mit TikTok. Auch in Rheinland-Pfalz bestätigt sich damit ein Trend, der zuletzt bei den diesjährigen U18-Wahlen für Schlagzeilen sorgte – die AfD wird mehr als andere Parteien von den Jung- und Erstwählern gewählt. In Rheinland-Pfalz kam die Partei bei den unter 25jährigen auf 17 Prozent – das ist noch deutlich mehr als ihr Gesamtergebnis von 14,7 Prozent. Die über 60jährigen stimmten dagegen nur zu acht Prozent für die AfD. Die Präsenz der Partei auf TikTok trug maßgeblich zu ihrem Jungwähler-Erfolg bei: „Da hat sich die AfD sehr weit ausgebreitet. Und die anderen Parteien haben das spät entdeckt. Sie sind mit großem Rückstand bei TikTok ins Rennen gegangen“, analysiert der Trierer Politologe.

Andere Trends in Rheinland-Pfalz sind hingegen schon länger bekannt: daß AfD-Wähler häufiger über ein „einfaches Bildungsniveau“ verfügten und überdurchschnittlich häufig auf soziale Unterstützung angewiesen seien (letzteres gilt allerdings auch für das Bündnis Sahra Wagenknecht). Und: daß die AfD von männlichen Wählern bevorzugt wird, während Frauen eher „links“ wählen. Bei der Europawahl war die AfD in Rheinland-Pfalz bei Männern die zweitbeliebteste Partei hinter der Union.

Diesen „gender gap“ – das Auseinanderdriften der Geschlechter bei den politischen Präferenzen – registrieren Soziologen und Politikwissenschaftler schon seit längerem. Demnach wählen Frauen eher links und Männer eher rechts – und zwar besonders ausgeprägt in den jüngeren Jahrgängen. Bei der Bundestagswahl 2021 etwa wählten 18- bis 24jährige Frauen zu 28 Prozent die Grünen, junge Männer hingegen zu 26 Prozent die FDP – die AfD ist auf dem besten Weg, diese Position zu übernehmen. Eine ähnliche Entwicklung ist in den USA, in Großbritannien und anderen westlichen Ländern zu sehen.

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